Neulich hat es mich ins Bötzowviertel verschlagen, in die Gegend gleich hinter dem Volkspark Friedrichshain also. Vor zwanzig Jahren noch randständiger Prenzlauer Berg, vernachlässigt gegenüber den Plattenneubauten, heute dagegen fast komplett durchsaniert und so gut wie ausverkauft. Natürlich handelte es sich um eine Einweihungsparty von Zugezogenen Berlinern. Aber keine Schwaben, ich schwöre!
Gestern sehe ich dann, dass es im aktuellen GEO-Heft eine ausführliche Fotostrecke über die Hufelandstraße – alt und neu – gibt. Der Fotograf Harf Zimmermann hat die Gegend 1986 komplett für seine Diplomarbeit abgelichtet und sich nun vor Ort auf die Suche nach den damals gemachten Bildern gemacht. Vor allem auch nach den damaligen Bewohnern, das allerdings mit wenig Erfolg. Die Häuser stehen zwar, alle, sind aber kaum noch zu erkennen. Und seine Fragen nach den Menschen wurden nur allzuoft beantwortet mit: verstorben, tot, nicht mehr da, weggezogen, …
Der Stadtsoziologe Andrej Holm schreibt dazu in seinem Gentrification Blog:
Die Aufwertung von Stadtvierteln hat nicht nur eine bauliche, ökonomische und soziale Komponente, sondern geht in der Regel auch mit dem Verlust raumbezogener Erinnerungen einher. Nicht nur gestrichene Fassaden und neue Geschäfte, sondern auch die scheinbar selbstverständlichen Aneignungsstrategien der Zuziehenden konstituieren einen neuen Raum, der nur noch selten Anschluss an die Erinnerung herstellen kann. Kulturelle EntfremdungsEntortungseffekte in Gentrification-Kontexten setzen die üblichen raum-zeitlichen Dimensionen der sozialen Umweltbeziehungen außer Kraft. Wird ‘Stadt’ von neu Zuziehenden definiert, verändert und hervorgebracht, sind lange Zeiten der Anwesenheit sind dann keine Ressource des Wissens, des Einschätzen Könnens oder des mit dem Ort Vertrautseins mehr. Gentrification in dieser Perspektive ist nicht nur Verdrängung sondern auch biografische Entwertung und Verlust von Erinnerungen.
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